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Robert Menasse über das Streichen von “kleinen” Studienfächern
Robert Menasse, weltberühmter und vielfach ausgezeichneter Schriftsteller, ist entsetzt über das Vorhaben, geisteswissenschaftliche Studienrichtungen, insbesondere die Germanistik, zu streichen. In Utrecht war er mehrfach zu Gast. Er präsentierte im Utrechter germanistischen Kreis Selige Zeiten, brüchige Welt (23.5.1995), Ich kann jeder sagen (11.11.2010), Der Europäische Landbote (Oktober 2012) und auf der internationalen germanistischen Tagung Jenseits der Deiche den Bestsellerroman Die Erweiterung (16.6.2023). Am 29.11. schickte er folgenden Text:“Als ich erfuhr, dass an der Universität Utrecht das Studienfach Germanistik gestrichen werden soll (dazu auch noch die Studienrichtungen Religionswissenschaft, Islam und Arabisch, Romanistik, Italianistik und Keltisch), hielt ich das für fake news. So verrückt können jene, die für eine Fakultät verantwortlich sind, so kurzsichtig können Bildungspolitiker, kann nicht einmal die Regierung eines modernen, aufgeklärten, demokratischen Staats sein.
Offenbar doch.
Aber es gibt Hoffnung. Denn man muss immer davon ausgehen, dass Menschen empfänglich für Argumente sind. Und manchmal gelingt es ja, Menschen, die nicht wissen, was sie tun, davon zu überzeugen, dass es besser ist zu wissen, was man lieber nicht tun sollte.
In Zeiten der Globalisierung, noch dazu in der vielsprachigen und multikulturellen Europäischen Union, müssen Sprach- und Literaturstudienfächer forciert und nicht gestrichen werden. Denn es sind diese Fächer, die nicht nur Herz und Geist jedes einzelnen Studierenden bilden, sie bilden vielmehr erst die Möglichkeit, dass wir einander verstehen, und unsere Sprachen, Kulturen, Mentalitäten und Traditionen als unseren gemeinsamen Reichtum erkennen. Nur so macht die Idee des „Friedensprojekts Europa“ heute Sinn: wenn wir mehr wissen und mehr verstehen als Business-English.
Die Utrechter Germanistik, das kann ich bestätigen, hat in Hinblick auf Forschung und Lehre einen exzellenten Ruf. Die Niederlande können stolz auf diese Exzellenz sein, vor allem als Nachbarstaat Deutschlands: Wer die Literatur des Nachbarn kennt und versteht, kennt erst den Nachbarn, und dass Nationalisten dies nicht begreifen, bestätigt ja nur diesen Sachverhalt. Das gilt natürlich auch für die anderen Sprachstudienfächer, die jetzt bedroht sind. Niedrige Immatrikulationszahlen sind kein Argument. Niemand würde auf den Gedanken kommen, das Chemiestudium abzuschaffen, obwohl die Zahl der Studienanfänger seit Jahren sinkt. Aber man braucht hochqualifizierte Chemiker, und genauso braucht eine aufgeklärte, demokratische Gesellschaft hochqualifizierte Geisteswissenschaftler.
Cultural studies (als ein wichtiger Teil der Fächer Germanistik, Romanistik etc.) sind eine Grund- und Integrativwissenschaft in der Moderne, so wichtig wie das Studium des Bauingenieurwesens und der Baustatik (soll das auch abgeschafft werden?), denn es geht da genau auch darum: um Brückenbau, um den Brückenbau zwischen Kulturen und Traditionen und Weltsichten, und um den Bau eines gemeinsamen Hauses in unserer vielstimmigen Welt.
Und der Nachbar ist Moslem? Und wir verstehen ihn nicht, sein Denken, seinen Glauben, und haben Angst. Und da wird die akademische Ausbildung in Religionswissenschaft, Islam und Arabisch abgeschafft? Im Ernst? Wir brauchen niemanden, der mit Arabern kommunizieren und uns deren Welt erklären kann – im Ernst? Wir fürchten uns vor der Islamisierung Europas, aber wollen ein Studienfach einsparen, das uns erklären kann, was es mit dem Islam auf sich hat – im Ernst? Wir beantworten den wachsenden Einfluss religiöser Fanatiker auf Gesellschaft und Politik mit der Abschaffung der Religionswissenschaft?
Nein, das müssen fake news sein.
Aber mir wurde versichert, dass das alles tatsächlich geplant (gar schon beschlossen) sei.
Da möchte ich – was? Kopfschütteln? Schreien? Weinen? Nein, da will ich nach Utrecht kommen, mich vor die Uni legen und einen Hungerstreik beginnen, bis dieser Irrsinn zurückgenommen wird. Klingt sehr dramatisch. Es ist dramatisch. Ich hoffe, dass ich das nicht machen muss.”
Als iemand weet waar hij het over heeft dan is het wel Menasse: Pontifex maximus. Ieder taalonderwijs.
Een oprecht wijze reactie op een onnodig en dwaas plan