Schwarzes Brett – Alles over Duits in Utrecht

Auf & davon

Eine Postkarte aus Münster

von Cornelie de Groot und Hilco Elshout

Ein riesengroßes ‘Hallo’ an alle!

wie cool, dass wir Studenten auch einmal etwas für Schwarzes Brett schreiben dürfen! (Das ist doch etwas anderes als unsere Dozenten, die uns darüber informieren, dass sie ständig unterwegs sind ?!). Da wir für unser Auslandssemester zusammen eine Wohnung gemietet haben, jetzt auch eine Postkarte von uns beiden aus Münster!

Lasst uns mal mit der Beschreibung unserer Wohnung anfangen. Obwohl es uns beinahe ein ganzes Jahr gekostet hatte, überhaupt alleine eine Wohnung zu finden, können wir uns jetzt doch keine bessere Alternative mehr vorstellen: ein schönes Souterrain in Hiltrup, einem Stadtteil im Süden Münsters, in dem wir beide ein eigenes Zimmer haben. Die Wohnung befindet sich in Mitte der Natur: Die Kaninchen hüpfen manchmal sogar an unseren Fenstern vorbei! Diese Kaninchen leben in einem Naturschutzgebiet, das sich praktisch neben unserem Häuschen befindet. Hier sind wir schon oft Fahrrad gefahren und gibt es auch viele andere Tiere zu entdecken: Während einer unserer Touren behauptete Hilco sogar ernsthaft, ein Truthuhn wahrgenommen zu haben, das aber eigentlich ein Reh war, so stellte Cornelie später lächelnd fest. Das Zusammenleben ist besonders angenehm, vor allem dann, wenn Hilco Trompete spielt (ein Vorgehen, das sich jeden Tag vollzieht …). Aber ohne Witz, das Zusammenwohnen in Münster gefällt uns sehr, und wir können jetzt auch kochen, d. h. Mikrowellemahlzeiten aufwärmen (nee hoor ?).

Dann etwas zur Uni, denn dafür sind wir natürlich eigentlich hier. Wir beide belegen an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Kurse in den Bereichen Politikwissenschaft, Geschichte und Niederlandistik. Vor allem der geschichtliche Kurs (‚Erinnerungskulturen im Vergleich. Die Niederlande, Deutschland und der Umgang mit der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg seit 1945‘) gefällt uns sehr. Wir werden ja auch vom Herrn Professor Dr. Friso Wielenga unterrichtet, der, wie Christa uns im Laufe des Kurses ‚Holocaust und deutsches Gedächtnis‘ erzählt hat, in diesem Bereich promoviert worden ist, und der jetzt auch Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien in Münster ist. Mit ihm besuchten wir auch das ehemalige Durchgangslager Westerbork – eine höchst beeindruckende Erfahrung.

Für die politisch ausgerichteten Kurse werden wir von Experten unterrichtet, die auch regelmäßig im Fernsehen auftreten, um Deutschland über die politische Lage in den Niederlanden zu informieren. Auch der literaturwissenschaftliche Kurs gefällt uns, da wir jetzt auch in der Lage sind, unsere literaturwissenschaftlichen Kenntnisse auf niederländischsprachige Literatur anzuwenden. Für alle dieser Kurse sollen wir Hausarbeiten oder schriftliche Aufgaben anfertigen und auch Referate halten. Die Benotung funktioniert aber doch etwas anders als in den Niederlanden. So erschraken wir sehr, als unsere Lehrerin uns zum ersten Mal lächelnd mit einer Eins auszeichnete. Glücklicherweise stellte es sich später heraus, dass wir doch nicht so eine schlechte Leistung geliefert hatten ?. Insgesamt geben die Kurse uns jedenfalls einen tieferen Blick auf die Verschiedenheit unseres Fachgebiets und, nach drei Monaten an der WWU studiert zu haben, haben wir jetzt auch wirklich das Gefühl, uns in die niederländisch-deutschen Beziehungen vertiefen zu können.

Was unser Auslandssemester noch besonderer macht, ist die Tatsache, dass wir meistens in der historischen Innenstadt Münsters Unterricht bekommen: Münster ist wirklich eine wunderschöne Stadt. Jedoch ist in Münster nicht alles nur eitel Sonnenschein. Als wir am 7. April ankamen, fand nämlich in derselben wunderschönen Innenstadt, nicht weit von dem Niederlande-Haus entfernt, ein furchtbarer Anschlag statt, bei dem mehrere Menschen ums Leben gekommen und viele verletzt worden sind. Ein Kleintransporter war in eine Gruppe sitzender Menschen gefahren, und der Fahrer hat sich nach seiner Fahrt in die Menschenmenge selbst erschossen. Tatort war ausgerechnet der ‚Kiepenkerl‘, der im Herzen der historischen Innenstadt von Münster liegt. Er ist ein Wahrzeichen der gut 300.000 Einwohner zählenden Stadt, die sich nach außen oft als Stadt des Friedens präsentiert. Diese Katastrophe hat uns am Anfang unseres Semesters natürlich sehr aufgewühlt. Zum Glück waren wir zur Zeit des Anschlags nicht da: Hilco spielte zur Zeit des Anschlags Trompete in Schwelm, Cornelie war mit ihrem Freund noch in Hiltrup, obwohl sie sich noch überlegt hatte, mit ihm in die Innenstadt zu fahren. Sehr aufmerksam war es auch, dass Doris uns noch berichtet hatte, ob mit uns doch alles in Ordnung gewesen sei. Uns geht es zum Glück noch immer gut, aber ihr versteht, dass das Schicksal der Opfer dieser unvorstellbaren Tat uns sehr am Herzen liegt. Zur gleichen Zeit war es aber auch besonders schön zu erfahren, wie die Einwohner der Stadt mit dem Ereignis umgingen. So war es herzerwärmend, die vielen Reaktionen am Tatort zu sehen. Auch die hunderten Blumen die dort niedergelegt wurden, waren wirklich überwältigend, und die älteren Leute, die sich trösteten, machten auf uns einen höchst emotionalen, aber auch liebevollen Eindruck. Die Einwohner waren sich einig: Sie ließen sich ihre Stadt des Friedens nicht zerstören. Das alles war, wie ihr verstehen könnt, sehr beeindruckend.

Zum Glück haben wir trotz des negativen Anfangs, die Stadt Münster richtig genießen können. Die Altstadt ist (sicherlich bei schönem Wetter!) wunderschön, und die Leute sind im Allgemeinen auch sehr nett. So haben wir auch zusammen mit den anderen niederländischen ERASMUS-Studenten einen niederländischen Stammtisch mit typisch niederländischen Produkten und typisch niederländischer Musik organisiert. Ein totaler Erfolg ist das gewesen. Vor allem das ‚Koekhappen‘ hat viele Interessierte angezogen! Heimweh haben wir jedoch nicht, da wir regelmäßig in die Niederlande zurückfahren, Hilco vor allem wegen seiner Musikprüfungen (da er sein ursprüngliches Musikstudium an der Musikhochschule wegen dieses Auslandssemesters nicht fortsetzen konnte), Cornelie hauptsächlich um ihren Freund zu besuchen. Es hat aber auch Vorteile, regelmäßig nach Hause zu fahren. So mussten wir im Rahmen der niederländischen Erinnerungskultur ein Referat über die Vier, Drei und Zwei von Breda halten, und da Hilco in Breda wohnt, waren wir auch in der Lage, authentische Quellen zu sammeln. Wirkliche Lebensereignisse erleben wir doch in Münster. So sahen wir letzte Woche, zusammen mit ca. 1000 anderen Deutschen, wie die deutsche Fußballmannschaft von Südkorea nach Hause geschickt wurde, und feierten wir letzte Woche auch unsere beiden Geburtstage. Hierzu gibt es übrigens noch etwas Lustiges zu erzählen. Hilco hatte zum Feiern nämlich bei einer erstklassigen Bäckerei zwei Erdbeertorten bestellt. Als er am Nachmittag nach Hause kam und Cornelie ihn fragte, wie viel das alles kosten würde, antwortete er mit fester Überzeugung, dass die Torten zusammen €29,50 kosten würden. Als wir später die Torten abholten und Hilco die Rechnung bekam, stellte es sich aber heraus, dass die Torten €29,50 pro Stück (!) kosteten! Hierauf bekam Cornelie fast einen Herzinfarkt und auch Hilco wurde es ziemlich übel (dafür war das DIA-Stipendium ja nicht gemeint ?!). Umso verständlicher war es auch, dass jeder die beiden mit der Torte in den Händen ausführlich beobachtete, denn wie hätten sich einfache Studenten eine solche Kostbarkeit leisten können!? (Ehrlichkeitshalber wussten wir es selbst auch nicht).

Insgesamt lässt sich aber feststellen, dass wir hier eine besondere Zeit gehabt haben, die wir nicht schnell vergessen werden. Wir hoffen natürlich, dass es den anderen Studenten im Ausland auch gut geht! Aber … das Semester bei uns dauert noch einen Monat an! Wir sind also gespannt auf die künftigen Erfahrungen, wären aber auch froh, wenn die Ferien endlich da sind. Wir haben ja auch mehr als ein ganzes Jahr lang tüchtig gearbeitet, und ein bisschen Ruhe sollte man sich doch auch gönnen …! ?

Viele liebe Grüße von uns beiden aus Münster

Hilco und Cornelie